„ich würde gerne diese leinwand umtauschen.“ sage ich, als ich endlich an der reihe bin. nur 4 leute waren vor mir und die zeit hat trotzdem gereicht um 4x meine mails zu checken und spiegel-online und facebook komplett durchzulesen.
zwischendurch schaue ich ab und zu auf, schiebe den warenkorb am boden einen halben zentimeter vor und frage mich, warum ich hier eigentlich immer wieder herkomme.
was ich bei boesner zum beispiel nie begriffen hab ist die preispolitik:
wieso hat die größte künstlerbedarfs-kette deutschlands, mit 31 filialen,
3 davon in berlin, eigentlich von allen künstlerbedarfs-läden die höchsten preise?
ich dachte immer, supermärkte können deswegen billiger sein als tante-emma-läden, weil sie die macht haben, ihre einkaufspreise zu drücken? bei boesner ist offenbar das gegenteil der fall.
in hamburg war das auch schon so (das wesentlich kleinere jerwitz war immer um einiges billiger als boesner obwohl die mitten in der stadt sind und die boesner-filialen irgendwo in JWD wo man ohne auto ne tagestour einplanen muss.)
besonders aufgefallen ist mir das aber jetzt erst in berlin wo es ja an jeder strassenecke so einen künstlerbedarfs-tante-emma-laden gibt, die alle billiger sind als boesner.
normalerweise kaufe ich auch in diesen tante-emma-läden. erst letzte woche hab ich ne staffelei bei peters artshop bestellt. ein anruf und am nächsten tag wurde sie gebracht. persönlich vom fahrer in den 3. stock getragen und aufgebaut. eine schwere markenstaffelei (30 kg) die im netz im durchschnitt 500 euro kostet und bei peters artshop 380.
die staffeleien bei boesner hatte ich mir auch angesehen aber für diesen preis gibts dort natürlich nichts vergleichbares.
zu boesner geh ich nur wenn mir im atelier plötzlich was fehlt. deren charlottenburg-filiale ist schneller zu erreichen als peters artshop, leider.
aber obwohl die angeblich so eine riesen-auswahl haben ist das was ich suche trotzdem oft nicht vorrätig und ich muss auf irgendwelche teureren alternativen ausweichen, die ich eigentlich garnicht will.
einmal hatte ich vergessen, rechtzeitig lösungsmittel zu besorgen und fuhr zu boesner um einen kanister „lösin“ zu kaufen. lösin finde ich einfach am besten so wie auch die meisten anderen maler, die ich kenne. man würde also erstmal nicht erwarten, dass ein händler, der seine zielgruppe ernst nimmt, ein solches standard-produkt aus dem sortiment nimmt – bis man bei boesner war.
hier stand plötzlich irgendein zeug der hausmarke im regal. in 1-liter döschen und um einiges teurer als lösin. und auf meine frage, ob und wieso boesner denn jetzt kein lösin mehr hätte, lautete die hilfreiche antwort: „wenn nix im regal steht gibts das auch nicht mehr.“ *
ich kenn es ja von hausmarken großer einkaufsketten, dass die in erster linie billiger sind als die namhafteren marken, dafür aber manchmal auch weniger gut.
bei boesner ist offenbar auch das anders. da nehmen die das beliebtere produkt einfach ganz aus dem sortiment und stellen ihre schlechtere und teurere hausmarke hin.
aber zurück zu meinem umtausch.
am tag zuvor hatte ich eine kleine leinwand für knapp 5 euro gekauft. erst im atelier hatte ich eine etwa 5 cm lange delle entdeckt die vom papplabel verdeckt war.
während ich also jetzt die leinwand aus meiner tüte ziehe macht sich der kassierer garnicht erst die mühe, ein genervtes stöhnen zu unterdrücken.
ich beschreibe die sachlage.
„ok, und wo ist nun die delle?“
ich halte die leinwand hoch, drehe und wende sie aber weil das licht hier von allen seiten kommt, nicht wie bei mir im atelier nur von einer seite, kann ich die delle nicht entdecken.
mir ist das ziemlich peinlich denn im atelier-licht war die delle wirklich so erheblich, dass es überhaupt keine frage war, ob ich diese leinwand nicht doch irgendwie benutzen könnte.
klar hatte ich besseres zutun als nochmal zum laden zurück zu laufen und ich hatte sogar noch überlegt, die leinwand auszukeilen. aber das obligatorische tütchen mit keilen, das wie bei allen fertig-leinwänden hinten dran getackert war, war eine echte attrappe: die kerben waren für die mitgelieferten keile viel zu groß.
und am ende bringe ich es eben auch nicht übers herz, selbst bei 5 euro, eine leinwand unbenutzt wegzuschmeissen.
während ich also nun vor der kasse stehe und die verdammte delle suche schüttelt der verkäufer die ganze zeit den kopf.
„hier!“ erleichtert zeige ich auf eine der ecken.
„wo? ich seh nix!“
„naja hier. sie müssen genau hinsehen, man sieht es in diesem licht schlecht.“
der verkäufer zieht eine augenbraue hoch: „nee also da müssen sie einfach ein bischen wasser von hinten drauf sprühen und dann zieht sich das von alleine wieder straff!“
„hm, aber das ist mir zu riskant. kann ja sein dass es nicht klappt.“
„achwas, natürlich klappt das! einfach einsprühen und trocknen lassen…“
„naja aber ich kauf doch keine leinwand um die dann erstmal zu reparieren?!“
ein kunde hinter mir, der inzwischen auch schon lange wartet, mischt sich ein: „also ehrlich gesagt verstehe ich das ganze nicht! wieso machen sie das alles so kompliziert?“
der kassierer so: „garnichts ist hier kompliziert! es geht hier um malerei!“
ich überlege, ob es was bringen würde, zu fragen, was er damit sagen will, entscheide mich aber dagegen. wahrscheinlich will er einfach nur andeuten, dass es bei richtiger malerei, so wie er sie definiert, nicht auf dellen ankommt.
dann müsste ich ihm aber erklären, dass es maltechniken gibt, bei denen man keine dellen in leinwänden gebrauchen kann. bei monochromen flächen zum beispiel, lasuren und feinen texturen.
der kassierer würde dann vielleicht dagegen halten, dass man in dem fall aber auch nicht auf leinwände für 5 euro zurück greifen sollte und ich könnte dann dazu raten, das am besten auch gleich auf die verpackung zu schreiben:
„achtung! bei diesem preis sollten sie keine glatte leinwand erwarten! dieser laden hier tut im übrigen auch nur so, als verkaufe er künstlerbedarf, das ist nur ein marketing-gag! bei OBI kriegen sie die selben leinwände für 1,99!“
ausserdem könnte ich dem kassierer noch erklären, dass die rückseite der delle zum größten teil vom holz des keilrahmens verdeckt wird, was zur folge hätte, dass auch das holz nass werden würde, wenn man die stelle mit wasser besprühen würde. was wiederum zur folge hätte, dass sich gleich der ganze rahmen verzieht.
das alles sage ich dem kassierer aber nicht. genauso wie ich ihm nicht sage, dass ich bereits seit 3 jahren in seiner filiale einkaufe, was er eigentlich wissen dürfte, er stand nämlich meistens hinter der kasse wenn ich bezahlt hab.
und seit 3 jahren ist es heute das erste mal, dass ich etwas in dieser filiale umtauschen will. einen artikel für 5 euro!
„ich will damit einfach nur sagen,“ sagt der kassierer, „dass wir sowas eigentlich nicht machen bei leinwänden. das geht einfach nicht. da kann dann ja jeder kommen.“
er kramt einen kugelschreiber hervor mit dem er jetzt betont langsam und umständlich über den alten kassenbon das wort „zurück“ sowie das heutige datum schreibt. daraufhin kramt er wieder umständlich nach einem tacker, fragt, ob es ok für mich sei, wenn er die kassenbons, den alten und den neuen, zusammen tackere und zieht die mundwinkel hoch als er mir die zusammengetackerten kassenbons hinhält.
auf dem parkplatz begegne ich noch einmal dem kunden, der sich eingemischt hatte, und empfehle ihm peters artshop.
boesner ist eben doch kein künstlerbedarfs-laden. in wahrheit ist er ein geschenkartikel-laden mit integriertem buchladen und rahmungsservice. zielgruppe sind kindergärten und reiche gelangweilte aquarellkurs-teilnehmerinnen.
und umtausch nur in äussersten ausnahmefällen!
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*EDIT: wie mir ein freundlicher boesner-mitarbeiter schrieb gibt es lösin 600 (in 3-l-kanistern) schon seit anfang 2015 wieder in allen berliner filialen!