hier mal eine alte kamelle aus einem früheren blog, n bischen dran rumgezupft.
Die erste Verabredung ist morgens um 9 beim Schanzenbäcker in der Raucherecke. Er raucht Camel ohne.
Am Abend zuvor hatten sie sich in einer Singlebörse kennengelernt. Er hatte ihr ein Foto geschickt auf dem er wie ein Schwerverbrecher aussah, das hatte sie gerührt.
Jetzt steht er vor ihr und sieht, das überrascht sie, immer noch wie ein Schwerverbrecher aus. Ein gepflegter zwar, schüchtern und mit guten Manieren, aber ein Gesicht wie aus Altpapier, grau und faltig, sie traut sich kaum, ihm in die Augen zu sehen; sie sind von einem Bindegewebe umgeben, so trocken und verschrumpelt wie das eines alten Papageien. Sie zieht es vor, seinen Mund zu betrachten, während er spricht.
Wie verhalten er lächelt und wie hinter seinen scharf gezeichneten Lippen auffallend saubere Zähne hervorblitzen. Fast hätte sie ihn nach einer Zigarrette gefragt.
Die zweite Verabredung ist am Vorabend zu Ostern. Weil Romantik sich abzeichnet bedarf es eines ausgewählteren Umfeldes, also fahren sie mit der Fähre nach Övelgönne zum Osterfeuer.
Am Stand von Övelgönne schlängeln sie sich durch die Menschenmassen, finden aber kein Osterfeuer. Es ist kalt und dunkel und wimmelt von Einweggrills, halb verglimmten Feuerstellen und Kassettenrekordern mit besoffenen Teenies drumrum.
Am Rand einer Betonauffahrt setzen sie sich und trinken mitgebrachtes Dosenbier. Nach anderthalb Dosen versinken sie knutschend im Sand.
Ein Standortwechsel steht an und sie schlägt vor, zu ihm zu gehen. Er zögert, willigt dann aber doch ein.
Der Rückweg ist weit, zu weit um die Stimmung zu halten. Langsam bekommen sie Hunger und ein mulmiges Gefühl stellt sich ein. Statt an Sex zu denken sprechen sie über Essgewohnheiten.
„Ich bin ja seit Neustem voll auf dem Gesundheitstrip“ erzählt sie begeistert und fragt sich, wozu sie das jetzt wieder erfindet. „Ich steh zum Beispiel voll auf Grünkern und Tofu!“ fügt sie mit verführerischer Stimme hinzu, etwas tiefer als geplant, und muss einen Reflex unterdrücken, sich auf die Lippen zu beissen.
Er scheint aber alles normal zu finden und entgegnet ernst: „Ich hab mich die letzten Jahre nur von Käsebrot mit Tomate ernährt.“
„Echt?“ ihr fällt nichts Originelles mehr ein.
„Und zwar ausschliesslich das Helle von Harry, ne andere Marke ess ich nicht.“
„Ach so. Ich bin ja keine große Käse-Esserin.“
„Ich auch nicht. Ich ess nur Gouda.“
Als sie in der Wohnung ankommen bleibt sie erst im Flur stehen. Als er nicht zurück kommt lugt sie vorsichtig um die Ecke und sieht wie er seine Jacke auszieht.
„Achso! Ich dachte gerade, das wär hier sowas wie’n Büro und wir holen nur was ab!“
Die Zimmer sind leer, die Wände mit Rauhfaser tapeziert und grau gestrichen. Sie sind komplett kahl, keine Bilder, keine Möbel. Nirgends liegt etwas herum, was Aufschluss darüber hätte geben können, dass hier jemand wohnt.
Er zeigt ihr die Küche. Der Raum ist komplett aus Edelstahl, alle Ablagen und Geräte, selbst die Wände sind mit Stahlplatten verkleidet.
„Wollen wir vielleicht was essen?“ fällt ihr etwas schüchtern der Hunger wieder ein woraufhin er wortlos zum Kühlschrank zeigt.
Der Kühlschrank ist fast leer. Sechs Tomaten liegen in einer Reihe, nach Grössen sortiert, an der Seitenwand entlang. Die grösste liegt vorne. Eine Tupperdose steht daneben, parallel zum Gitter, und beinhaltet einen Stapel Feinbrot. Im ansonsten leeren Gemüsefach liegt ein Block aus circa zehn Packungen Scheiben-Gouda von der Marke Kraft, faltenfrei in Alufolie eingewickelt. In der Innentür des Kühlschrankes steht ausserdem eine Reihe Milka Vollmilchschokoladen, aufrecht, wie im Bücherregal. Sie greift eine heraus und ruft: „Komm! Die essen wir jetzt!“
Entsetzt starrt er sie an, zögert und erklärt dann trocken: „Bitte nicht durcheinander bringen, die sind nach Haltbarkeitsdatum sortiert.“
In der Nacht haben sie keinen Sex. Er müsse das erst wieder lernen und das könne dauern. Sex sei ihm aber auch nie so wichtig gewesen.
Ein paar Tage später. Es ist schon spät, sie will gerade ins Bett gehen, da klingelt ihr Handy.
„Ich will auf keinen Fall stören“ flüstert er. „Ich muss Dich unbedingt was fragen. Ich kann nachts schon nicht mehr schlafen deswegen. Bist du in mich verliebt? – Ja oder nein.“
Sie zögert
„Ja oder Nein!“
„Nein“ sagt sie schliesslich und hält den Atem an.
„Unter diesen Umständen… muss ich das Gespräch leider beenden. Lebe wohl.“